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Wo auf der Welt gibt es Thermik und wann ist die günstigste Jahreszeit zum Segelfliegen?

Autorenbild: Jochen ElserJochen Elser

Langsam startet die Vorbereitungsphase für meinen Trip nach Spanien. Das Wichtigste, der Flieger ist noch nicht abgenommen, da ich noch einen Antriebstrichter für die Bremsklappe austauschen musste. Das ärgert mich schon etwas, aber ist auch nicht soo schlimm.

Was ich nun aber schon seit gut zwei Monaten plane sind die Flugrouten. Da ich vor habe durch einige Länder zu fliegen ist das schon einigermaßen aufwendig. Karten besorgen, Seeyou konfigurieren und für Xcsoar Wegpunkte und Lufträume finden. Die Frage die sich davor aber immer stellt und natürlich noch ungemein viel wichtiger als die beste Route ist: Wo hat es denn eigentlich genug Thermik zum überhaupt Segelfliegen und wann???

Wer sich auf die bekannten Gebiete im Winter/Frühjahr Namibia, Südamerika, Neuseeland, Südfrankreich beschränken will muss sich darüber wohl keine Gedanken machen - langweilig. Aber erstens möchte ich überall segelfliegen wo es geht und zweitens mag ich nicht immer mit der Linienmaschine irgendwo hin fliegen um einen Segelflieger den ich nicht kenne zu mieten oder mit dem Hänger hinzufahren um dann im Kreis herum zu fliegen...

Ob ein Gebiet grundsätzlich fliegbar ist oder nicht finde ich in Klimabüchern. Der gute alte Dierecke Weltatlas aus der Schule ist ganz hilfreich für den Vergleich von Klimaregionen in bestimmten Jahreszeiten. Noch viel besser allerdings ist meine "Geheimwaffe", mein Klimabuch der Forschungsstelle Bodenerosion der Uni Trier.

Hier steht so ziemlich alles was der Segelflieger grob benötigt: Min/Max Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Einstrahlung Windrichtung. Damit kann man denke ich eine sehr gute Vorhersage treffen ob eine Region fliegbar ist. Als Referenz nehme ich Stuttgart und vergleiche die Werte anderer Regionen damit.

Der Trick ist nun zu schauen wie hoch die mittlere Luftfeuchte ist. Sie zeigt grundsätzlich eine mittlere Basishöhe an. In Verbindung mit der Differenz von mittlerer Tag und Nachttemperatur, die ein Mass für die Luftfeuchtigkeitsabnahme und damit den Anstieg der die Basishöhe über den Tag ist (vgl. Blog "Thermik und Luftfeuchtigkeit") kann man schon ungefähr sagen ob die Basis zum Fliegen reicht. Zudem gibt eine hohe Differenz von Tages- und Nachttemperatur einen Hinweis auf ausreichende Einstrahlung und damit die Grundlage für Thermik an. Ein Vergleich mit den Daten von Stuttgart zeigt, das man eine mittlere Differenztemperatur zwischen Tag und Nacht von mindestens ca. 10 °C und eine mittlere Luftfeuchte von maximal 75% haben sollte um in einem Monat ordentliches Flugwetter haben zu können.

Natürlich nur, wenn die Berge um den Messpunkt herum nicht sehr hoch sind und man deshalb mit einer viel höheren Basis fliegen muss. Dann sollte man noch geringere Luftfeuchtigkeiten am Messpunkt haben. Wie in einem anderen Blog schon beschrieben, wenn die Basis 1,3 bis 1,4-fach höher sein muss bedeutet das eine ca. 10% geringere Luftfeuchte am Boden. Das heißt z. B., dass man in Marrakesch im Februar schon gerade so grenzwertig segelfliegen können sollte: Mittlere Feuchte 73%, Temperaturdifferenz 12°C (siehe Tabelle unten). Wenn man den Auswertungen von Topmeteo glauben darf stimmt das auch genau so. Nur sollte man sich hüten ins Atlasgebirge zu fliegen, dafür ist die Basis eben noch zu niedrig.

Für trockene Gebiete gibt es sicher auch eine untere Grenze für die Luftfeuchte und eine obere für die Temperaturdifferenz ab der es blau wird. Die ist für mich aber schwerer abzuschätzen, da ich die Höhe der Absinkinversion, z. B. in den Subtropen nicht so genau kenne. Wenn diese sehr hoch ist kann man auch bei niedrigen Luftfeuchtigkeiten fliegen, bei denen es bei uns schon lange blau wäre. Z. B. müsste die Absinkinversion in der Wüste bei Tamanrasset im Februar bei mittleren 16 °C Temperaturdifferenzen über den Tagesverlauf und mittleren 31 % Luftfeuchte schon sehr hoch sein um noch Wolken zuzulassen: Nur 10 °C Anstieg am Tag über die mittlere Feuchte hinaus bedeuten 31%/1,8 = ca. 17% Luftfeuchte, also Basis > ca. 3000 m (siehe Blog "Wie hoch ist die Basis heute?"). Ob die Inversion auch im Winter üblicherweise schon im Februar so hoch ist weiß ich nicht...

Ein zweites Kriterium ist aus meiner Sicht die Einstrahlung. 200 h Sonnenschein und eine Globalstrahlung von mindestens 4500 Wh im Monat scheinen eine untere Grenze für gutes Flugwetter zu sein. Klar, ohne Sonne auch kein Temperaturanstieg über den Tag, also ist dieses Kriterium eigentlich schon berücksichtigt. Aber gerade in nördlicheren, kontinentalen Regionen, in denen es auch bei wenig Einstrahlung noch einen Temperaturanstieg gibt schaue ich doch noch gerne auf die Sonnentage und Globalstrahlungswerte. Ohne Sonne kein Fliegen...

Ich bin gespannt, ob sich diese Überlegungen in der Praxis so bestätigen. Aber wie heißt es so schön, was ist dümmer als einer Prognose zu glauben? - Gar keine zu erstellen ;-)

 

Nachtrag 12.04.2018:

Nachdem ich nun in Spanien und Frankreich 4 Wochen geflogen bin kann ich sagen, dass sich die vorangegangenen Überlegungen auch wirklich so bestätigt haben. Die Basis war wie erwartet, hat gut mit den Luftfeuchtigkeiten zusammen gepasst, die Steigwerte waren auch wie erwartet: In Spanien war es trockener, mit guter Basis, zum Teil sehr guten Steigwerten trotz der frühen Jahreszeit aber immer schon mit der Tendenz Abtrockenen. In Südfrankreich das Gegenteil: Sehr feucht, niedrige Basis, immer etwas zu viele Wolken und Überentwicklungen. Soweit so gut.

Aber einen Aspekt hatte ich massiv unterschätzt: Den Wind! In unseren Breiten in Süddeutschland eigentlich kein Problem. Schon gar nicht bei einer Strecke, bei der Start- und Zielpunkt identisch sind.

Nur war der Wind in Spanien im Mittel grundsätzlich etwa doppelt so stark wie in Süddeutschland. Eigentlich jeden Tag 25 bis 50 km/h in 2000 m Höhe. Die Großwetterlage, also auch die Windrichtung blieb meist ca. 5 Tage konstant. D. h. man konnte in diesem Zeitraum sinnvoll eigentlich nur in eine der beiden Richtungen fliegen. Mit 40 km/h Gegenwind wird selbst beim besten Wetter die Reichweite und die Durchschnittsgeschwindigkeit halbiert... Und bei einem guten Rückenwindtag holt man meiner Erfahrung nach das vorher mit Gegenwind verlorene nicht auf. Dazu kommt noch, dass man bei manchen Windbedingungen gar nicht erst starten kann oder manche Plätze wegen Seitenwind nicht für Landungen zu empfehlen sind.

D. h. die Zahl der Flugtage reduziert sich bei starkem Wind, z. B. dieses Frühjahr in Spanien auf ca. die Hälfte.

Ich rechne nun so: Einen Tag schlechtes Wetter, einen Tag Freibadwetter (blau), einen Tag Flugwetter für 300 km ergeben im Mittel 100 km/Tag. Bei vorherrschendem starken Wind ist davon aber wieder nur jeder zweite Tag nutzbar. D. h. alle 6 Tage ein guter Flug mit 300 km ergibt insgesamt 50 km/Tag. Das ist natürlich keine hohe Ausbeute, war aber in diesem Fall im frühen Frühjahr, in dem man in Deutschland immerhin gar nicht fliegen kann realistisch.

Die Konsequenz daraus ist für mich:

1.) Bei der Vorplanung einer Reise sollte man unbedingt immer die Windbedingungen, die an guten Flugtagen in der Zielregion herrschen mit berücksichtigen.

2.) Reisen sollten umso mehr in Städte/Regionen führen in denen man gerne Urlaub macht. Nichts ist unangenehmer als irgendwo zu "hängen", wo man ohne Flugzeug nie Urlaub machen würde.


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I'm a glider pilot and like to travel like many of you. The fascination of easy flying is in my mind ever since and also the understanding and respect to different cultures and different ways of thinking. To go farther, compete, perform the best and talk about it is also part of my nature, which gives me kind of an adventurous sight of traveling. 

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