Hannibal musste nicht wirklich über die Pyrenäen, er konnte am Mittelmeer südlich an den Pyrenäen vorbei ziehen. Segelfliegerisch geht dies aber nicht wirklich wie mir die Locals in Igualada und viele andere erzählten. Südlich der Pyrenäen gibt es so gut wie keine Thermik und überwiegend starke Fallwinde. Für mich waren die Pyrenäen deshalb einfach ein bis zu 3400 m hohen Gebirgsmassiv, welches mir den Weg nach Frankreich versperrte. Mit dem kleinen Leckerbissen in La Cerdanya Zwischenstation machen zu können. Dort wollte ich immer einmal hin. Da viele Segelflieger im Frühjahr nach La Cerdanya zum Welle fliegen gehen, sollte das doch eigentlich ein segelfliegerisch gut erschlossenes Gebiet sein. Und damit ein machbares Unterfangen dort hin zu gelangen - dachte ich.
Also Start im ca. 300 km entfernten Castellon de la Plana. Perfekt vorbereitet durch die Drachenfliegerfreunde lief es in den Küstengebirgen richtig gut. Schön langsam, keine Bedarf an hohen Durchschnittsgeschwindigkeiten, aber stetig. Über die Küstengebirge die Konvergenzen nutzend Gleitzahl 79 bis zu den Pyrenäen. Bis dahin war alles gut. Dann direkter Anflug auf Cerdanya. Die Berge sahen schon sehr hoch aus, daher tastete ich mich schön vorsichtig heran. Der Wind stand prima auf den vorderen Berggipfeln. Die Außenlandeplätze und die Täler zum Ausflug aus dem Gebirge immer in Sicht ging's hinein. Aber nicht weit. Schon am ersten größeren Gipfel wurde es eng. 2000 m Basis, 1700 m hohe Berge, etwas wenig Platz dazwischen... Aber ich hatte immerhin schon Anflughöhe auf La Cerdanya, nur noch 30 km bis dort. Aber da hatte ich die Rechnung ohne die Berge gemacht: Hinter dem Berg ein meiner Einschätzung nach unlandbares Tal, dahinter ein Bergriegel der "Cadi", mit ca. 2000 m ohne Wolken darüber und ich in ebenfalls 2000 m Höhe auf der anderen Seite des Tals. Eine viertel Stunde Suche nach einem Ausweg ohne einen zu finden. Dahinter waren noch viel höhere Berge. Der Gedanke war nur: "Wie soll das wohl funktionieren dort drüber zu kommen? Das ist evtl. das Ende des Abenteuers - da hilft nur noch der Anhänger...". Also 80 km zurück nach Igualada...
Als ich in Igualada etwas niedergeschlagen ankam, fand ich mich aber schnell dort in einem richtigen Segelflugplatz wieder: Einer arbeitete an seiner DG 800, Marcel landete kurz nach mir mit seinem Ventus 2cM. Und Jaime gab mir eine kleine Einweisung in den Platz und in den Werkstätten lackierte einer eine LS4. Also endlich wieder unter Segelfliegern! ;-)
Alles fast wie zuhause, freundliche, offene Segelflieger eben. Nachdem ich meine Geschichte erzählt hatte war auch für alle sofort klar was ich falsch gemacht hatte: Ich hatte den falschen Weg nach La Cerdanya gewählt! Bei normalem Wetter mit Basis 2000 m fliegt man dort eben über das westlich meines Flugweges gelegene Tal und den Platz Seo de Urgel ein. So gut die Vorbereitung für die Konvergenzen der Küstengebirge auch war, so schlecht für die Pyrenäen.
Aber gut, nach einer Empfehlung für ein Hotel von den Fliegerkameraden, habe dort erst mal gut gegessen in einem urigen kastilianischen Hotel. Am nächsten Tag wollte ich noch einen Versuch wagen. Aber da hatte ich die Rechung ohne meinen ständigen Wegbegleiter in Spanien gemacht - den Wind. 30 km/h 60° zur Landerichtung war ich ja schon gewohnt. Aber leider hat die 850 m lange Bahn in Igualada eine Neigung von 2% gegen den Wind und zudem liegt der Abflugbereich in diese Richtung im starken Lee eines vorgelagerten Hügels. Gegen den Wind also keine Chance zu starten. Deshalb starten auch alle mit dem Wind in die andere Richtung. Aber mit einem schwach motorisierten Ventus cM mit 25 km/h Rückenwind ist auch eine 850 m-Bahn nicht geeignet. Also kein Start.
Dafür noch ein schönes Mittagessen mit den Vereinskollegen vor Ort. Das war mindestens genauso gut! Viele Leute kennengelernt. Danach nach Barcelona, da meine Unterkunft hier wegen eines Radrennens nicht mehr zur Verfügung stand. Auch nicht schlecht!
Aber ganz so gut wie Alicante und Castellon de la Plana war Barcelona leider doch nicht mehr. Barcelona ist doch eher eine businessorientierte Großstadt - aus meiner Sicht nichts zum Urlaub machen auch wenn die Heerscharen deutscher Touristen das wohl irgendwie anderes sehen. Die Architektur ist zwar ganz schön, Gaudi ist allgegenwärtig, es gibt viele nette Bars und Clubs (wie eigentlich in jeder Großstadt), die Leute sind aber eher geschäftig und nicht so offen wie in Alicante und Castellon de la Plana. Das Nachtleben ist zudem extrem drogenverseucht, gar nicht schön... Die Kultur ist hier definitiv gröber wie in Andalusien. Für Leute die nicht wie hier in Spanien üblich bis um 20:30 mit dem Abendessen warten wollen gibt es aber wenigstens einen Lichtblick, das Einkaufszentrum am Plaza de Espanol. Hier ist der oberste Stock wie ein Penthouse gestaltet mit einer breiten umlaufenden Terasse und vielen Restaurants in der Mitte die den ganzen Tag geöffnet haben. Dort kann man die Sicht über die Stadt geniessen und den Sonnenuntergang bewundern. Zudem gibt es sehr schöne Restaurants die für jeden Geschmack etwas bereit halten.
Nach zwei Tagen und einem Sturm mit 100 km/h Windgeschwindigkeit ging es dann doch auf zum zweiten Versuch nach La Cerdanya. Abschied von Jaime und den tollen Fliegerkameraden in Igualada. Danach, diesmal mit Blauthermik und Abschirmung darüber, also eigentlich überhaupt keine Bedingungen für Streckenflug. Aber o. K. günstiger Wind und zweimaliger Motoreinsatz brachten mich dennoch endlich nach La Cerdanya...
In die Oase der Ruhe! Super schöne Bergwelt, fast kein Wind, perfekte Piste ohne Hindernisse, alles richtig zum Erholen. Als ich dann nach dem Abstellen des Fliegers noch die Terrasse des Restaurants sah war klar: Super Location! Sofort hoch, gleich ein Bier bestellt und den Ausblick genossen. Dort konnte ich einige Koblenzer kennenlernen die hier ihren Urlaub genossen. Sehr nette Fliegerkollegen die schon eine ganze Weile hier waren und den Sturm in Barcelona auf ihre Weise genossen haben: Mit Extremwellenbedingungen und Hammersteigwerten in den Bergen, währenddessen es hier im Tal in Cerdanja wohl vergleichsweise ruhig war - erstaunlich. Danach gab's noch eine Einweisung von Sergi für den morgigen Flugtag, der wohl auch der letzte gute sein soll vor dem Wetterumschwung. Das würde dann einen "guided Tour" mit Hinterherfliegen hinter Sergi werden.
Gut, ab ins Hotel. Die Empfehlung der Dame im Office war super: Ein günstiges Zimmer für 42 Euro mit Frühstück in einem dermaßen geschmackvoll eingerichteten Hotel, das ich so noch nicht gesehen habe - und ich habe schon viele Hotels gesehen: Rustikaler Stil, sehr gemütlich, und alles zueinander passend auf eine besondere Art und Weise. Das Steak am Abend - ein Traum, die Käsevariationen und der Rotwein dazu geschmack- und phantasievoll, wenn ich kein Cartester, sondern Gourmettester wäre: 10 Points! Eine unglaublich gute Unterkunft.
Aber leider musste ich den darauffolgenden Tag nutzen um noch vor Eintreffen des schlechten Wetters wegzukommen. Das vorangegangene Briefing von Sergi war sehr aufschlussreich, obwohl ich mir am Morgen nicht annähernd vorstellen konnte wie man da wohl über die 3000 m hohen Berge kommen sollte!! Windstille, Ballonfahrer nutzten die Inversion des Tales für einige morgentliche Fahrten, keine Wolken, nur in Frankreich ein Tal weiter stand sichtbar eine gigantische Welle.
Aber nachdem ich fast den Abflug der anderen verpasst hatte, ging es mit dem Schlepper auf 2500 m. Mein Motörchen hätte diese Höhe nicht mehr gepackt. Da hatten es Frank und Karsten in ihrer super motorisierten DG 505 deutlich besser. Sie waren zusammen mit den anderen schon 350 m über mir. O. k., so kämpfte ich mich langsam mit 0,5 m/s hoch. Nach gefühlt unendlich langer Zeit im kombinierten Hangwind/Welle/Thermik war ich dann auch auf 3700 m Höhe. Die anderen immer noch 200 m über mir. Na gut, super Aussicht auf die Schneefelder und auch schon Sicht über die Berge nach Frankreich. Aber plötzlich - schwups - alle weg. Na Prost Mahlzeit, genauso hatte ich mir das vorgestellt. Aber was soll's war ja nur ein paar hundert Meter zu tief um direkt nach Frankreich zu fliegen und muss dort rüber :-( Sarkasmus hilft nur nicht - sondern wie immer Plan B: Mein Anflugrechner zeigte 1300 m Plus auf Puivert und ich hatte aus den ganzen Gesprächen und meinen Überlegungen resümiert, dass der freie Weg nach Frankreich das Tal über Mont Luis sein sollte. Leider liegt das bei Nord-Ostwind erst mal im Lee der Pyrenäen. Das hieß für mich: Die Aufwinde der Grate Richtung Osten mitnehmen und dann die von Skysight und Sergi vorhergesagten Ausläufer der Welle im nächsten Tal zu nutzen um weiter nach Frankreich zu kommen. Höhe hatte ich genug, Hindernisse waren auch keine mehr im Weg in dieser Richtung. Gesagt, getan und wie immer kommt es anders als man denkt: Grate absurfen o. K., dann kurz durchs Lee mit -4 m/s aber in 2500 m leider keinen Einstieg mehr in die Welle gefunden. Macht aber nichts, über Puivert hatte ich immer noch 1200 m Plus. In der Zwischenzeit war ich unter einer geschlossenen Wolkendecke "im Dunkeln" - was für ein Kontrast zu dem strahlenden Sonnenschein in La Cerdanya zuvor!
Der Anflug nach nach Lezignan-Corbier gestaltete sich ruhig - Null Thermik, geschlossene Wolkendecke in 5500 m, man könnte es "kein Segelflugwetter" nennen. Mit 200 m Plus kam ich am Flugplatz an. Ich konnte es kaum fassen, endlich...
Fazit für mich: Als ich als gebirgsunerfahrener Segelflieger dieses Gebirge das erste Mal real vor Augen hatte, hätte ich nicht gedacht dass ich dort irgendwie drüber kommen könnte. Nur durch die Hilfe der erfahrenen Flieger vor Ort wie Jaime und Sergi und der vielen anderen die mir wertvolle Tips gaben war es mir möglich die Pyrenäen so vergleichsweise einfach zu überwinden. Noch einmal vielen Dank dafür!