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  • AutorenbildJochen Elser

Der erste Versuch...


Hallo meine lieben Leser!

Es ist gerade Vorweihnachtszeit, es läuft Stille Nacht im Fernsehen und ich schreibe über eines meiner prägenden Erlebnisse im Segelflug. Was für ein Kontrast...

Springen wir ins Jahr 2012.

Ein Plan

Anlass waren eigentlich die vielen Geschäftsflüge nach Barcelona. Bei den Flügen im Verkehrsflugzeug sah ich ständig im Süden die Alpen direkt an uns vorüberziehen. Immer wieder fragte ich mich wie es denn wohl wäre dort entlang zu fliegen. Ob es vielleicht mit dem Segelflugzeug möglich wäre bis nach Barcelona zu fliegen? Bei Hammerwetter, also einer Nord-Ost Wetterlage, mit Rückenwind und dazu noch die von Ost nach West wandernde Sonne, die den Flugtag verlängern sollte vielleicht gar nicht so abwegig?

Klar, dass ich im Pc_met, also meinem Wetter-/Flugplanungssystem, immer wieder ein paar Routen von Aalen nach Barcelona eingab. Zu meinem Erstaunen gingen die besten Routen nicht durch die westlichen Alpen, sondern immer entlang des Schweizer Juras. Danach schien es am besten südlich um Lyon herum nach Frankreich und danach in die Pyrenäen zu fliegen. Unglaublicherweise gab es tatsächlich ein oder zwei Tage im Jahr an denen das mit meinem Mosquito an einem einzigen Flugtag möglich schien. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich auf das Pc_met blind verlassen, da ich damit extrem gute Erfahrungen mit meiner Streckenplanung in Deutschland gemacht hatte. Bei einem 8 h-Flug war eine um +/- 15 min genaue Ankunftszeit bei geschickt gewählten Parametern völlig normal. Ich muss leider dazu sagen, dass ich nach dem Umstieg von Pc_met auf das neue Vorhersagemodell eine solche Genauigkeit nicht wieder erlebt habe, schade. Aber zu dieser Zeit ging das noch. Also gut, träumen darf man ja, ich plante und plante und plante...

Die aus meiner Sicht kritischen Punkte waren die Querung des Rhonetals und der Einstieg in die Pyrenäen. Das Rhonetal, weil dort grundsätzlich wenig Thermik ist und der Einstieg in die Pyrenäen, weil dort bei Süd-Ostwind natürlich üble Staubewölkung vorherrschen sollte. Zudem bläst dort im Frühjahr ein extremer Nord-Südwind in Richtung Leucate und Perpignan. Die Surfer freut es, den Segelflieger natürlich nicht so sehr.

Also gut, der Tag kam an dem Pc_met sagte "es geht bis in die Pyrenäen nach Cerdanja". Es war der 16. Mai 2014.

Für eine nicht gerade unwahrscheinlichen Außenlandung in Frankreich hatte ich vorgesorgt. Zufällig fuhren ein paar Kollegen genau an diesem Tag mit ein paar Testfahrzeugen von Barcelona nach Stuttgart zurück, kamen mir also genau entgegen. Die hätten mich dann in Frankreich aufgelesen. Meinen Flieger hätte ich eben später geholt. Eigentlich keine schlechten Voraussetzungen :-) Keine Frage was zu tun war: Los geht‘s. Verrückt, aber was soll's, so etwas muss man eben auch mal machen und fertig. Wer's nicht versucht hat hat etwas verpasst, das weiß ich jetzt...

Die Vorbereitung

Natürlich erfordert so ein Trip schon etwas mehr Courage, die ich auch erst sammeln musste. Ich sagte mir: "Wenn du außenlandest dann möglichst in Deutschland, das wird weniger stressig". Also früh starten, Risiko in den Morgen verlagern. Wie sich später zeigte ist diese Einstellung leider falsch. Eine konsequente Planung ohne Komfortpolster ist eben das Wichtigste. Sicherheit Maximum, Komfort Minimum, sonst ist das Unternehmen gefährdet.

Also abends noch einen Schlepppiloten organisiert, netterweise hat sich jemand bereit erklärt morgens eine kurze Arbeitspause im UL-Betrieb an Flugplatz Aalen einzulegen und mich nach oben zu ziehen. Also am 16. Mai früh um 7 gemütlich nach Aalen fahren. Natürlich war die Aufgabe Nr. 1 nicht nur an alles zu denken, sondern vor allem die Nerven zu beruhigen. Ein bisschen Ablenkung hatte ich allerdings schon bei einem kleinen Plausch auf dem Turm: Die fanden es doch schon extrem "interessant" mit einem Mosquito ohne Motor solch eine Strecke anzugehen :-)

Der Flug

Start im F-Schlepp!!! Wir hatten vorher abgesprochen, dass der Schlepppilot mich in Richtung der Schwäbischen Alb auf maximale Höhe über die Wolken schleppen sollte, also auf deutlich über 2500 m. Ich kann nur sagen, ein gigantisches Erlebnis! 1000 m über den Wolken, Sicht bis zu den Alpen, totale Ruhe.

Dann ausklinken und Abgleiten nach Blaubeuren. Eigentlich war klar, dass ich dort mit Rückenwind und ein paar Hundert Metern über Grund ankommen werde und dort auf jeden Fall ein Bart (Aufwind) stehen würde. Und tatsächlich nach einer halben Stunde im Gleitflug ertönte das erlösende Piepsen des Varios, Knüppel nach links und es ging hoch! Dann weiter der Schwäbischen Alb entlang. Eigentlich hatte der Wetterbericht vorhergesagt, dass die Basis (Wolkenuntergrenze) langsam ansteigen würde und ich somit in Richtung der westlichen Alb auch genug Platz zwischen Wolken und Boden haben würde. Nur leider war nach kurzer Zeit klar, dass zwar der Boden immer mehr anstieg, die Wolkenuntergrenze aber keinesfalls. Das war nicht gut. Da mein Mosquito eigentlich ein Super Flieger knapp über der Grasnarbe war, flog ich dennoch weiter. Der mäßige bis starke Rückenwind schob mich zusätzlich gemütlich über die Alb. Dann wurde es aber doch immer enger. Bei Albstadt waren es eigentlich nur noch 300 m zwischen Boden und Wolkenuntergrenze, also definitiv keine Möglichkeit mehr zu spielen. Als ich dann an die Albkante kam konnte ich zwar schon Frankreich sehen und dort auch richtig schöne Wolken erkennen, aber dazwischen war es leider nur blau. Aber das war nicht das Problem, da wäre ich schon durchgekommen, aber die Basis war extrem tief und ich flog nur noch in 200 m über Grund... Nicht gut. Damit war eigentlich klar, dass der Plan nicht aufgehen sollte. Also was tun? Den Flugplatz am Klippeneck konnte ich nicht mehr erreichen, der war schon fast über mir.

Rottweil im Tal ging vielleicht noch, aber nicht ohne Tricks. Dann war also erst mal "Kunstflug" angesagt. In 100 m Höhe über die Albkante ins Lee und schauen ob ich in dem potentiellen Abwindgebiet doch noch eine Aufwindlinie finden konnte. Ein bisschen Geduld und Vertrauen und da war sie :-) Mit viel Gefühl die Linie entlang gesurft und dann mit ausreichend Höhe nach Rottweil abgebogen und dort gelandet. Na ja, 900 km Flugstrecke waren es leider nicht, eher 100 km ;-) Aber was soll's, netter Versuch. Die Analyse war klar: Frühstart. Eine Stunde hätte es sicher nach Frankreich gereicht.

Nicht das Ende

Aber macht nichts. Eine Außenlandung an einem fremden Platz ist immer ein besonderes Erlebnis, so auch hier: Ein total leerer Platz und eine nicht besetzte Fliegerwirtschaft. Und nicht zu vergessen: Schönes Wetter. Nach einer guten Stunde kam dann doch zufällig jemand vorbei der mir half meinen Mosquito die 500 m der Bahn entlang zum Start zu schieben.

Ein netter Mensch mit dem man sich gut unterhalten konnte und von dem ich einiges über die Fliegerei in dieser Gegend erfuhr. Er organisierte dann auch einen Schlepppiloten aus Winzeln-Schramberg, der mich dann 2 h später wieder in die Luft beförderte. Natürlich war es da zu spät um den Plan "Spanien" (ja Spanien) weiter zu verfolgen. Also ging's nach dem zweiten Flugzeugschlepp an einem Tag gegen den Wind zurück nach Aalen.

Der Schlepppilot aus Schramberg und ich verabschiedeten uns in der Luft und ich flog wieder. Am Anfang richtig gut, dann aber völlig unkonzentriert, da die Luft irgendwie 'raus war. Und unfassbarer Weise befand ich mich plötzlich schon wieder in der unteren Etage knapp über der Grasnarbe. Und das auch nicht mal in Reichweite eines Platzes. Auf den Flugplatz Blaubeuren fehlten mir nur 100 m Höhe, auf den Platz in Seissen kurz davor sogar nur 50 m. Aber wie das so ist: Komfort nein - Sicherheit ja, die Entscheidung war klar: Die Wiese davor sollte mein nächster Stop sein, das war natürlich etwas blöde...

Noch ungünstiger war, dass im Endanflug plötzlich zwei Reihen schöner Pfosten auftauchten die für meine tierischen Fliegerkameraden die Mäusebussarde gedacht waren. Abstand vielleicht 30 m. Bei 15 m Flügelspannweite meines Mosquito natürlich etwas eng um dazwischen zu landen. So ein Mist. Also zielte ich gut, landete dennoch genau dazwischen auf der Wiese und kam leider etwas schräg. Mit dem Ergebnis dass ich mit meiner linken Tragfläche genau auf einen der Pfosten zu hielt - nicht gut. In einer Reflexbewegung legte ich dann aber die linke Fläche ab und drehte mich um meine eigene Achse, stand dann verkehrt herum da, keine 50 m vor dem nächsten Pfosten. Das war definitiv knapp. Das wäre sehr teuer geworden und sicher keine schöne Sache für meinen sonst super zuverlässigen Mosquito. Glück gehabt :-)

Ein Ausflugstag in Seissen

Aber was soll man tun? - einen Rückholer anrufen natürlich! Günther saß wohl gerade mit seiner Frau beim Spargelessen. Aber netterweise erklärte er sich bereit mich vom Acker zu holen. Immerhin bedeutete das für ihn von Schorndorf nach Aalen zu fahren, danach nach Blaubeuren, Einladen, wieder dieselbe Strecke zurück. Richtig weit eben.

Und ich durfte in der Zwischenzeit warten. Oder die Gegend erkunden. Ich entschied mich für das zweite. Urlaub in Seissen eben. Den einen Kilometer bis zur Ortschaft hatte ich schnell hinter mir. Dazwischen noch einige Pferde auf der Weide, die man im Ballungsraum Stuttgart auch eher selten so nahe und so in Ruhe zu sehen bekommt.

Im Ort gab es einen richtig netten Italiener "Trattoria Doline" der sogar geöffnet hatte. https://de-de.facebook.com/trattoriadoline.de/ Natürlich wenig Betrieb tagsüber unter der Woche, aber ein wirklich schönes, modernes Ambiente mitten auf der Schwäbischen Alb. Der Besitzer war ebenfalls sehr mitteilsam, so erfuhr ich auch noch einige Details. So z. B. dass die sehr modern anmutende Kegelbahn auch gut genutzt wurde und die zwei Esel Bruno und Clarissa auf der Wiese nebenan (schon wieder Tiere) auch zum Restaurant gehören würden, usw. Und obwohl genau vor dem Eingang der Pizzeria ein Schild "Füttern verboten" stand war das Essen auch sehr gut. Also alles in allem eine richtig prima Mittagspause.

Als ich zurück zu meinem Flieger kam war erst einmal Sonnenbaden angesagt. So gut es eben ging bei 15°C und "heiter bis wolkig". Aber es war schon sehr entspannend - in meiner Lieblingswarteposition - auf dem Tragflügel, neben dem Tragflügel, unter dem Tragflügel, ich hatte ja mehr als genug Zeit.

Ach ja, wer nun meint "der arme Tragflügel", dem kann ich nur sagen: Den habe ich selbst lackiert, der hält mich mit absoluter Sicherheit aus, und wenn wider Erwarten doch einmal Kratzer drin sind poliere ich die eben wieder heraus, das mache ich doch gerne. Das ist schließlich mein Hobby ;-)

In der Zwischenzeit bekam ich dann natürlich doch auch hin und wieder Gesellschaft. Irgendwie nachvollziehbar - es passiert schließlich auch nicht alle Tage, dass ein Mensch auf einem Flieger am Straßenrand sitzt.

Irgendwann kam dann auch mal die Bäuerin vorbei der die Wiese gehörte. Wir unterhielten uns vorzüglich über ihre Landwirtschaft und ihren Gemüsegarten, den sie sehr mochte. Immerhin alles wohl noch sehr viel Handarbeit was ich auch nicht erwartet hatte. Zu guter Letzt gab sie mir noch einige Tips für meinen etwas leidenden Rasen bei mir zuhause und hatte dadurch auch etwas Abwechslung am Nachmittag.

Wenn ich nun alle Erlebnisse an dem einen Tag in Seissen Revue passieren lasse muss ich sagen es fällt mir schwer zu erklären warum man seinen Urlaub unbedingt in Mallorca verbringen muss ;-)

Rückfahrt

Kurz vor Sonnenuntergang kamen dann auch Günther mit seiner Frau an. Leider war es doch auch nicht ganz so einfach gewesen mich nach 3 h Fahrt dort auf der Wiese zu finden. Und mein Segelfluganhänger glänzte auf dem Weg dorthin auch nicht gerade durch Bedienerfreundlichkeit und schon erst recht nicht durch besonders hohen Fahrkomfort auf der holprigen A7...

Aber glücklicherweise konnten wir meinen Mosquito ohne Schwierigkeiten verladen und nach Aalen zurückfahren. In der Dunkelheit kamen wir in Aalen an und vertilgten noch das Rückholermenü, das sie sich mehr als verdient hatten.

Für mich war das ein super Erlebnis, ein toller Tag und wie ich denke die Initialzündung für weitere Reisesegelflüge. Allerdings gab mir die Erfahrung mit den Mäusebussardpfosten und die beschwerliche Rückholertour von Günther und seiner Frau doch auch zu denken. Damit war klar: Ein Flieger mit Motor musste her. Auch wenn's super Spaß macht: Zu viele Außenlandungen und Rückholaktionen sind auf Dauer doch etwas zu belastend sowohl für die Nerven der anderen als auch für die eigenen Nerven!


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