Eigentlich wollte ich nach Villacastin um dort mit Roland das gute Flugwetter im sommerlichen Spanien zu nutzen. 3 Wochen Urlaub hatte ich schon mal eingeplant. Aber auf 3 Tage Autofahrt hin und 3 Tage Autofahrt zurück und das auch noch mit Anhänger hatte ich wirklich keine Lust. Also warum nicht hin- und zurück fliegen, das dauert im besten Fall auch nicht so viel länger? Am besten wenn es gerade mal Ostwind hat, so der Plan. Leider hatte ich nicht wirklich mit dem Wetter im Sommer 2017 gerechnet. Ständig 15-20 km/h Westwind! Dann werden aus 20 h Segelfliegen bis Villacastin schnell mal 25 bis 30 h. Und Spaß macht es mit Gegenwind auch keinen...
Also plante ich kurz entschlossen um. Bei Westwind fliege ich eben nach Osten. Nach Budapest wollte ich schon lange mal. Aber dann war mein Anspruch schon "auf einen Rutsch". 650 km sollten an einem guten Tag mit Rückenwind gehen.
Als ich die Strecke etwas näher unter die Lupe nahm war klar: Die Herausforderung war weniger der Segelflug an sich, sondern mehr der Flug über drei Länder und die unglaublich vielen Kontrollzonen, die ich nicht wirklich umfliegen konnte. Zwei Möglichkeiten: Nördlich oder südlich um Wien herum. Ich entschied mich für südlich. Wiener Neustadt auf der südlichen Route eignete sich gut als Ausweichlandeplatz wenn es doch nicht reichen sollte. Dann kam der wichtigste Teil: Einen Tag Abstimmung mit der Flugsicherung. Flugplan aufgeben, Infos einholen usw. Die Kollegen in Langen waren aber sehr hilfsbereit. Ohne sie wäre ein derartiger Flug sicher nicht so einfach möglich gewesen.
Erster Tag
Am 13. Juli war es dann soweit: Der Wetterbericht meldete "grün" - besser gesagt die Streckenplanung von Topmeteo in Seeyou zeigte eine machbare Strecke bis Budapest. Früher hatte ich meine Flugstrecken immer mit Pc_met geplant, was auch prima funktionierte. Seit der Modellumstellung vor einigen Jahren habe ich aber keine guten Erfahrungen mehr sammeln dürfen. Daher gab ich jetzt Topmeteo im Seeyou eine Chance. Alle anderen Wetterberichte zeigten ebenfalls gutes Segelflugwetter, gute Basis, 4/8, gute Steigwerte über die gesamte Strecke was mich zusätzlich beruhigte.
Start in Aalen mit vielen anderen Kameraden des LSR welche alle das als gut vorhergesagte Flugwetter erwarteten. Dann kam leider schon nach dem Start die Ernüchterung: Es trocknete ab, kaum eine Wolke mehr am Himmel. Die letzten Wolken standen plötzlich alle 10 km südlich im Luftraum von München - unerreichbar. An einem normalen Flugtag wäre ich nach 30 min umgekehrt, wäre zurück nach Aalen geflogen und hätte den Flugtag abgehakt. Aber nicht so an diesem Tag. Wer ein Ziel hat fliegt besser: Ich hangelte mich im Blauen mit 800 m Basis über Grund am Luftraum München entlang bis zum Bayrischen Wald. https://www.onlinecontest.org/olc-2.0/gliding/flightinfo.html?flightId=1022999135. Das waren immerhin 200 km. Unglaublich, aber damit war mein Schnitt natürlich nicht mehr der Rede wert: 65 km/h.
Der Einstieg in den bayrischen Wald war etwas kitzlig, da ich mit niedriger Basis ankam und mich dann erst einmal über die Gipfel hocharbeiten musste. Die Wolkenstraßen standen leider zu weit nördlich, sodass ich auch da wieder mit wenig Bewölkung und 500- 800 m über Grund klar kommen musste.
Dafür lief es ab Freystadt super bis Wien. Eine einzige Wolkenstraße bis Wien und endlich ein guter Schnitt von 100 km/h! Zudem war ich ab der österreichischen Grenze wieder in direktem Kontakt mit der Flugsicherung was die Sache sehr angenehm gestaltete.
Leider hatte ich Budapest als Ziel wohl unterbewusst schon abgeschrieben. Als ich dann hinter Wien wieder blitzeblauen Himmel ohne Wolken sah war meine Entscheidung gefallen: Landung in Wiener Neustadt Ost - der Segelflugplatz Wiener Neustadt West ist unter der Woche wegen Militärbetrieb nicht geöffnet. Ehrlich gesagt war das wahrscheinlich eine Fehlentscheidung: Mit dem auffrischenden 25 km/h Rückenwind, 1700 m Basis und noch übrigen 2,5 Stunden hätte das schon für die restlichen 210 km reichen müssen. Und nördlich von Wien gab es auch jede Menge Wolken...
Keine Ahnung, aber ich denke die Vorstellung in Wien einige Tage zu verbringen war verlockender, da wollte ich schon länger mal wieder hin. Außerdem machte es mir extrem viel Spaß nach der Freigabe der Flugsicherung mit Vollgas mitten in den Wiener Luftraum hinein zu brettern. Vor Wiener Neustadt musste ich wegen anfliegendem Linienverkehr sogar noch 600 m Höhe mit den Klappen vernichten, unter der Wolkenstraße war Sinken auch bei 200 km/h nicht möglich.
Ein kleiner Faux pas war dann noch das Herausrutschen meines Headsetsteckers kurz vor der Landung wodurch ich kurz keinen Funkkontakt mehr hatte. Als ich im Queranflug auf Wiener Neustadt Ost wieder Funkkontakt hatte, war der Platzkontroller schon sehr überrascht und gab an das vor mir gerade gelandete Motorflugzeug in Wiener Dialekt die Anweisung: "Schoorschi stoart duurch! Do is aaner kompeed foolsch hia!"
Aber kein Problem, am Boden stellten wir fest dass schon alles richtig gelaufen war, da er von der Flugsicherung meinen Flugplan erhalten hatte in dem ich seinen Flugplatz als Alternate angegeben hatte ;-) Ansonsten waren die Kollegen dort sehr hilfsbereit und halfen mir meinen Flieger auf eine Wiese am Ende der Piste zu parken. Der Platz selbst ist sehr schön, eigentlich jedoch nur für Motorflugzeuge ausgebaut, da die Segelflieger in Wiener Neustadt West ihre Heimat haben. Diesen Platz müssen sie sich allerdings mit dem Militär teilen, weshalb er nicht so einfach anzufliegen ist, schon gar nicht unter der Woche. In Wiener Neustadt Ost ist dagegen immer viel Betrieb, da hier auch Diamond Aircraft seinen Hauptsitz hat, wie ich feststellen konnte. Dort läuft alles etwas professioneller ab, auch das Fliegerputzen ;-)
Die Dame der Flugplatzkontrolle verwies mich auch auf ein interessantes Museum namens "Aviaticum" direkt im Gebäude der Flugsicherung. Dort fand ich eine beinahe unglaubliche Anzahl an historischen Flugzeugen. Leider ist das Museum jedoch in der Auflösung begriffen. Ein sehr nettes preisgünstiges Hotel (38 Euro incl. Frühstück) praktisch direkt am Zaun des Flugplatzes gelegen konnte sie mir auch gleich empfehlen: Hotel Steinfeld http://www.hotel-steinfeld.at/inhalt.htm. Damit war ich erst einmal versorgt... Oder doch nicht? Natürlich, etwas zu essen wäre auch nicht schlecht. Dafür gab es gleich ein prima Steakrestaurant nebenan: https://www.hollers.at/. Eine schöne kleine Terrasse, leckeres Steak und rustikal-edles Ambiente, das allerdings auch seinen Preis hatte... Alles in allem ein gelungener Flugtag. Ich hatte fast vergessen, dass ich ja eigentlich woanders hinwollte.
Zweiter Tag
Klar, in Wien ist man nicht nur zum Fliegen... Nach dem guten Frühstück im Freien auf der Terrasse und meinem Staunen über den angenehm entspannten Wiener Dialekt, der hier überall zu hören war, ging's auf nach Wien. Mit dem Bus, der 100 m vom Hotel entfernt abging zum Bahnhof und von dort ca. 1 h bis Wien Innenstadt. Die Zugfahrt gestaltete sich sehr abwechslungsreich, da ich nicht der einzige Tourist war: Nach einigen Vermittlungen zwischen deutschsprachigen Einheimischen und einem englisch-, bzw. spanisch sprechenden Paar aus Südamerika auf dem Weg nach Salzburg erhielt ich einen kleinen einstündigen Spanischkurs (in Wien!). War prima, vielen Dank an Adriana und Fernando! Nach einem herzlichen "Buen viaje!" ging es weiter.
In Wien angekommen war klar was ich sehen wollte: Die Hofburg und das Kaffee Sacher, die meisten anderen Sehenswürdigkeiten kannte ich schon aus früheren Reisen. Zunächst saugte ich ein bisschen Wiener Innenstadt in mich auf. Eine Großstadt mit vielen schönen Ecken, romantischen Gässchen und typischen Wiener Attributen wie z. B. die prächtigen Fiaker. Vom Museum der Hofburg war ich etwas enttäuscht. Mir war nicht bewusst, dass das einzige Thema dort die Freimaurerei ist. Aber klar, wer sich dafür interessiert ist dort sicher absolut richtig. Das Kaffee Sacher ist natürlich immer eine Reise wert. Die Sachertorte schmeckt dort doch noch etwas anders als zuhause und der Schwarze Kaffeelikör mit der Sahne darauf ist exorbitant lecker! Zusammen nennen die Verantwortlichen im Sacher das dann "Herrengedeck". Damit ging der Tag auch schon zur Neige und ich fuhr zurück nach Wiener Neustadt. Auf dem Flugplatzgelände gibt es auch eine nette Fliegerkneipe, die gut besucht war. Für günstiges Geld genehmigte ich mir dort noch ein riesiges Wiener Schnitzel!
Nun war die weitere Flugplanung angesagt. In Budapest war ich ja noch nicht, aber da immer noch ziemlich starker Westwind angesagt war wollte ich eigentlich lieber wieder Richtung Aalen zurück fliegen. Mit Schrecken stellte ich jedoch fest, dass eine Front mit starkem Wind vorhergesagt war. Und das mit dem Flieger im Freien... Er war zwar verzurrt, aber sicher nicht perfekt. Mit etwas mulmigem Gefühl ging ich ins Hotel. Der Wind wurde stärker, stärker und stärker... Ich überlegte wie stark die Böen wohl sein müssten um den Flieger loszureißen. Nachts um 1 Uhr hielt ich es nicht mehr aus und lief im strömenden Regen die 1000 m Piste entlang zum Flieger und verzurrte ihn noch etwas mehr...
Tag 3
Gut, passiert ist nichts. Der nächste Tag war nicht fliegbar und ich nutze die Zeit den Flieger besser unterzubringen. Da Wochenende war, war Diamond Aircraft geschlossen. Aber der ortsansässige Motorflugverein war aktiv und gewährte mir Unterschlupf in seinem Hanger. Die freundlichen Fliegerkameraden halfen mir noch meinen Ventus die 1000 m von der einen Seite der Piste auf die andere Seite zum Hangar zu ziehen, Taxiing mit dem Segelflieger ist etwas gewöhnungsbedürftig... Und da sie abends noch einen Grillabend geplant hatten wurde ich auch noch flugs eingeladen und konnte mich direkt von der super Wiener Gastfreundschaft überzeugen. Eine sehr sympathische Runde mit vielen Fliegern und deren Frauen/Freundinnen, überwiegend natürlich aus Wien. Aber es gab auch einige Flieger aus Deutschland, die es dort geschäftlich oder zu Besuch hin verschlagen hat. Doch es war zeitiges ins Bett gehen angesagt, da der Wetterbericht für den nächsten Tag Flugwetter vorhersagte.
Rückflug
Am nächsten Morgen zeigte sich das Wetter von seiner besseren Seite. Strahlender Sonnenschein. Aber leider wie alle Tage vorher auch mit Gegenwind aus Richtung Aalen. Außerdem sollte nach der Vorhersage von Topmeteo die Stecke um Linz herum kaum fliegbar sein. Südlich durch die Alpen ging auch nicht, da die Basis sehr tief war. Die Streckenberechnung zeigte zwar einen fliegbaren Weg über die Südseite der Alpen bis Bozen, dann Innsbruck und zurück. Aber mein Vertrauen hielt sich in Grenzen bei Gegenwind und einer Gesamtstrecke von 700 km. Also direkt nördlich oder südlich Linz an vorbei und evtl. dort eine Zwischenlandung mit Übernachtung oder wenn ich zu langsam sein sollte auch in Landshut.
Nach der Verabschiedung von den Fliegerkameraden, von denen einige am Sonntag auch zum Fliegen gekommen waren, ein "erhebender" Start auf der 1080 m langen Motorflugpiste in Richtung der Voralpen unter dem Wiener Luftraum durch. Mit meinem Flugplan fühlte ich mich gleich gut aufgehoben bei den Wiener Kontrollern. Es fliegt sich einfach angenehmer mit Flugplan... Die Landschaft war überwältigend, Hügel des Voralpenlandes, wie frisch gewaschen. Immer dem leicht ansteigenden Gelände nach Mariazell folgend bis ich hinter der höchsten Erhebung an der Kante zum weiten Donautal südlich Linz weiterfliegen konnte https://www.onlinecontest.org/olc-2.0/gliding/flightinfo.html?flightId=1287454693. Schnell wurde mir klar warum der Wetterbericht unfliegbares Wetter bei Linz vorhergesagt hatte: Eine riesige Abdeckung und eine niedrige Basis vor Linz machten einen direkten Flug unmöglich. Das hieß im Zick-Zack vorsichtig im Alpenvorland hin und her bei 300 bis 500 m über Grund - stark gewöhnungsbedürftig für mich. Aber es ging gerade so und mit viel Zeit und einem Ziel vor Augen geht vieles leichter.
Richtung Deutschland wurde das Wetter aber zusehends besser und besser. Ab der Grenze nach Bayern super Wetter! Das war eine schöne Belohnung für die Mühen zuvor. Wieder ein völlig entspanntes Vorwärtskommen bei hoher Basis, guten Steigwerten und schönen Cummuli soweit das Auge reicht! Also Gas gegeben und, ich hätte es wirklich nicht erwartet, kurz nach 18 Uhr die Landung in Aalen :-)
Wieder ein sehr erlebnisreicher und eindrucksvoller Flugtag zum Schluss! Spanien war es zwar nicht, aber was will man eigentlich mehr als das Erlebte?