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  • AutorenbildJochen Elser

Tiny House am Campingplatz für Segelflieger

Aktualisiert: 5. Apr. 2021

Ein Tiny House auf dem Campingplatz direkt am Flugplatz hat wirklich Vorteile! Auch wenn man wie ich gerne in die Ferne schweift weiß ich eine Basis am Flugplatz durchaus zu schätzen. Dort kann man Zeit verbringen, schon am Vortag anreisen um am nächsten Tag entspannt fliegen. Und am Flugplatz einen Platz zu haben, der es auch der Freundin leichter macht dort Zeit zu verbringen ist wichtig.


Nur was steht auf den Campingplätzen? Meist Wohnwägen mit Vorzelten. Mindestens die Hälfte der Wohnwägen stehen dort aber sehr "statisch", um nicht zu sagen für ewig... Aber mal ehrlich: Zum Stehen sind diese Gefährte nicht gemacht. Sie sind ausgelegt um damit zu Reisen. Sie werden dann auch meist mit Dächern, Umhausungen usw. erweitert um sie wie ein Haus erscheinen zu lassen und um sie zu schützen. Macht das Sinn? - Nur solange es nichts Besseres für diesen Zweck gibt...



Ich bin der Meinung, dass ein auf Neudeutsch "Tiny House" genanntes Häuschen deutlich besser auf die Bedürfnisse der Dauercamper an Segelflugplätzen abgestimmt ist: Fahrbar, auch nicht größer als ein Wohnwagen, und eben im "Hotelzimmerdesign" und nicht im "Fahrzeugdesign". Gleiche Grundfläche, mehr Platz im Inneren, schöne Einrichtung, und wie ich meine offener und freundlicher als ein Wohnwagen. Aber dafür eben nicht unbedingt dafür geeignet um über den Fernpass nach Italien zu fahren...


Meine Anforderungen an so ein Gefährt sind: Ich will dort schlafen können wie in einem normalen Hotelzimmer und nach dem Fliegen will ich dort auch duschen können. Waschhäuser haben sicher ihre Berechtigung wenn man zeltet, aber ein Hotelzimmer ohne Bad würde ich auch nicht nehmen...


Nach 1,5 Jahren Planung, nachdem ich alle Sendungen über Tinyhäuser verschlungen habe, alle Designkanäle für Hausdesign abonniert und alle Bautechniken studiert haben, wusste ich zu 100% genau was ich haben wollte und wie ich es mit vernünftigem Aufwand herstellen kann (ich vermeide das Wort Bauen). Ich hatte alle Pläne, eine bepreiste Stückliste, Bezugsquellen und kannte alle notwendigen Arbeitsabläufe.


Tatsächlich hat auch so ziemlich alles funktioniert bei dem ich mich an den Plan gehalten habe. Die Punkte an denen ich entgegen dem Plan Experimente gewagt hatte musste ich allerdings am Schluss fast alle nacharbeiten...


Ein riesen Dank gilt hier unserer Schorndorfer Segelfliegergruppe, die mir erlaubt hat das Häuschen in unserer Fliegerwerkstatt zu bauen! Das wäre sicher nicht in jedem Verein möglich gewesen. Ich kann nur empfehlen das auch in anderen Vereinen anzuregen, da dies doch dem Fliegen im Gesamten zugute kommt und im Frühjahr/Sommer die Werkstätten ohnehin nicht genutzt werden.


Die Bauzeit betrug bei mir 3 Monate, von denen ich aber nur 6 Wochen aktiv an dem Häuschen gearbeitet habe.


Das Häuschen wurde in Holzständerbauweise aufgebaut. Der Boden besteht aus Multiplexplatten und einem stabilen Holzrahmen, der durch in Verbindung mit dem isolierten Boden des Plattformanhängers eine gutes "Fundament" bildet.


Auf den Plattformanhänger wird das Haus ganz am Schluß des Aufbaus formschlüssig montiert und verschraubt.


Die Bauweise ist von Innen nach Außen, was den Aufbau extrem vereinfacht. Innenwände-Sanitärinstallation-Elektrik-Dämmung-Aussenhaut-fertig. Von Außen nach Innen könnte man die Verlegung nie so einfach bewerkstelligen. Aber hier geht das eben, da der komplette Bau im Trockenen steht. So macht der Aufbau richtig Spaß. Die Elektrik ist nach einem Baukastensystem auch sehr klar und eindeutig aufgebaut und komplett abgesichert: Eine Sicherung für Hochstromgeräte, eine für normale Geräte, FI-Schutzschalter, alles Stand der Technik. Sanitär geht ebenfalls am besten mit Aluverbundrohren in den noch offenen Wänden. Damit ist eine Dichtheitsprüfung nach Aufbau der kompletten Installation mit 100%-er Zugänglichkeit möglich. Abwasser ist unter dem Boden und damit keine Gefahr von Wasserschäden durch Abwasser vorhanden. Wenn alles fertig ist wird die Dämmung, 5 cm Mineralwolle eingebracht (im Dach ist es mehr), die Außenhaut montiert und der Grundkörper ist komplett fertig!


Daten incl. Fensterbauteilen: Wärmedämmung etwas besser als ein Standardwohnwagen, mit 600 W Wärmeleistung durch Infrarotheizung nutzbar bis ca. 5°C Außenlufttemperatur. Geräuschdämmung ebenfalls etwas besser als ein Wohnwagen. Lüftung besser als mein Schlafzimmer und Schneelast ausreichend für Deutschland. Genau so wollte ich das haben... Ach ja, auch Wände, in die man auch eine Schraube hineindrehen kann um ein Bild aufzuhängen, ohne gleich einen Wasserschaden durch Nässe von außen befürchten zu müssen ;-)


Das versteckte Pultdach (von außen sieht es aus wie ein Flachdach) wird mit einer aluminiumbeschichtet Bitumenfolien beschichtet, die doppelt verbaut extrem haltbar, absolut wasserdicht und auch bei einer (ziemlich sicher nie vorkommenden Undichtheit) sehr einfach repariert werden kann.

Die Fenster sind normale bodentiefe Standardfenster, richtig schön groß und dennoch durch die schönen Raffrollos und ein paar einfache Tricks nachts blickdicht. Die Fassade ist wie bei allen guten Holzkonstruktionen hinterlüftet. Und warum dann nicht gleich die super aussehende sibirische Lärche nehmen? Das Gewicht wäre nur dann zu hoch, die über die ganze Höhe gehen würde und die sibirische Lärche ist nur dann zu teuer, wenn man sich nicht nach einem guten russischen Lieferanten umschaut. Der Rest war ein "Experiment": UV-stabilisierte PVC für die Fassade oben und unten. Das werde ich irgendwann durch weiß lackiertes, verzinktes Stahlblech ersetzen, da das PVC sich durch die unterschiedliche Wärmedehnung Holz/PVC wellt :-( Na ja, eine Sache darf ja auch mal nicht so gut funktionieren.


Die Nasszelle ist nach neuestem Stand der Technik abgedichtet und mit modernem Vinyl ausgestattet. Armaturen von Dusche und Waschbecken sind ebenfalls Einfamilienhausstandard. Ein wichtiger Aspekt ist die 7 kW Warmwassergastherme, die aus Sicherheitgründen incl. Campinggasflasche außerhalb des Häuschens montiert ist. Einfaches Umlegen eines Schalters im Bad liefert in 30 s warmes Wasser 15 min lang. Danach schaltet der Durchlauferhitzer automatisch wieder ab. Damit ist Duschen und Waschen ohne Einschränkung möglich.



Die Badmöbel, Küchenplatte und alle anderen Möbel und Regale wurden aus einer einzigen Massivholzplatte hergestellt, was zu einem sehr harmonischen und ansprechenden Design führt. Bei solchen kleinen Räumen ist eine "Zusammenstückeln" unterschiedlicher Möbelstücke keinesfalls empfehlenswert. Das Planeo Laminat in Apfelbaumoptik passt gut dazu und ist sehr pflegeleicht.



Das Schlafsofa wurde ebenfalls in Ermangelung eines perfekt passenden käuflich zu erwerbenden Sofas selbst hergestellt. Es lässt sich als Ecksofa, Doppelbett oder als zwei Einzelbetten nutzen. Es besteht aus zwei Würfelkernmatratzen und zwei Lattenrosten, welche mit dem Bezug unlösbar miteinander verbunden wurden. Zum Schutz findet unter dem Bettbezugs noch ein Matratzentopper verwendet. Der Schlafkomfort ist damit genauso gut oder besser wie in jedem normalen Bett und dennoch ist die Nutzung als Ecksofa uneingeschränkt möglich.


Die Küche ist ebenfalls eine ganz normale Standardküche aber eben passend zum übrigen Design wieder mit derselben geölten Arbeitsplatte aus Massivholz Premiumeiche versehen. Die Granitspüle besitzt einen Wasserhahn mit Durchlauferhitzer, der immer ohne stehendes Boilerwasser direkt Warmwasser liefert. Zusätzlich auch noch mit einer integrierten Wassertemperaturanzeige... Der Herd mit den zwei Herdplatten ist völlig ausreichend und mit Zeitschaltfunktion ausgerüstet. Die Küche, die bei offener Terrassentür quasi fast im Freien zu sein scheint ist derartig angenehm, dass sogar ich zu kochen begonnen habe, was ich zuhause fast nie mache. Den Grill, den ich ebenfalls dort deponiert habe, habe ich dagegen noch nicht einmal verwendet. Er ist erstaunlicherweise quasi überflüssig geworden. In dieser Küche macht Kochen auch auf dem Campingplatz mehr Spaß als Grillen...





Der Küchentisch in der kleinen Essecke für zwei bis drei Personen lässt sich nach unten klappen und schließt den Raum dann zusammen mit dem Raffrollo blickdicht zum Weg hinter dem Häuschen ab. Damit ist auch bei Regen ein sehr gemütlicher Platz zum Essen, lesen und arbeiten vorhanden. Ich sitze dort sehr gerne, fast noch lieber als auf dem Sofa. Die Stühle können bei Bedarf auch im Freien verwendet werden. Wie man sieht wurden sie ursprünglich auch dafür hergestellt, was den verbindenden Charakter von Lebensraum Innen und Außen auf eine fast schon selbstverständliche Weise unterstreicht.





Was im Moment noch fehlt ist das Beleuchtungskonzept. Das arbeite ich aber lieber in der "dunklen" Jahreszeit aus, da hat man da dazu mehr Muße dazu. Anschlüsse liegen dafür genug (7 Lampenanschlüsse, 6 Lichtschalter, 11 Steckdosen).


Die 12V Fahrzeugbeleuchtung musste dagegen schon montiert werden um das Gefährt auf öffentlichen Straßen bewegen zu dürfen. Alleine der Anruf beim TÜV dauerte 30 min um alles zu besprechen. Und am Schluss waren immerhin 21 Lämpchen und 9 Reflektoren zu montieren. An meinem Christbaum hängen weniger Lämpchen...


Da man im Sommer doch die meiste Zeit draußen verbringt sollte natürlich auch die Terrasse entsprechend beschattet werden. Eine Pergola über dem gesamten Gefährt ist aber komplett deutlich zu aufwändig. Warum noch mal ein zweites Dach über dem Häuschen? Wenn es nicht wetterfest sein sollte wäre das aus meiner Sicht ein Konstruktionsmangel (den offensichtlich alle Wohnwägen haben, sonst bräuchten sie keine Dächer darüber). D. h. möglich sind Sonnenschirm, Sonnensegel, Markise, oder Pergola vor (!) und nicht über dem Häuschen. Als ich das Häuschen dann fertig dort stehen sah, war klar, dass eine Markise am besten passt. Natürlich muss die Befestigung der Markise entsprechend an die Holzkonstruktion angepasst werden: Erhöhung der Schraubenabstände um Faktor 2,5 um das Moment auf 40% zu senken und Montage an den mit der Rahmenkonstruktion verstärkten Stellen. Funktioniert ganz gut muss ich sagen! Ich fahre die 4 m breite Markise bei wenig Wind bis zu 2,5 m aus.


Das Häuschen wurde auf Rollen gebaut und erst ganz am Schluss mit dem Auto aus der Fliegerhütte gezogen. Danach wurde es auf den Plattformanhänger gehoben und verschraubt.



Der Transport gestaltet sich nicht ganz so einfach, da man doch erst einmal ein Zugfahrzeug mit entsprechende Zuglast benötigt. Bei mir war es ohne alle Möbel 2,7 t. Dann ist die Idee mit dem Gefährt wie mit einem Segelflugzeuganhänger 80 km/h + x km/h zu fahren nicht sehr gut. Auch bei schwerem Zugfahrzeug liegt der Lateraldruckpunkt (aerodynamischer Druckpunkt) des riesigen Aufbaus deutlich vor der Zwillingsachse, was bei der riesigen Fläche grundsätzlich die Fahrstabilität beeinträchtigt. 80 km/h Fahrgeschwindigkeit wären zwar völlig vorschriftsmäßig, aber in der Realität ist entspanntes Fahren mit ca. 70 km/h möglich, wenn man nicht gerade einen Sprinter als Zugfahrzeug hat. Zudem ist die Deichsel auf dem Campingplatz eigentlich immer lästig ist und steht im Weg. Daher wurde sie bewusst so kurz wie möglich gehalten, was den Wendekreis natürlich etwas einschränkt. Aber wenn das Häuschen einmal steht und mit Leichtbetonsteine als Stützen unterbaut ist, ist der Rest vergessen...


Ich muss sagen ich habe die Entscheidung für das Häuschen, seitdem ich es nun aufgestellt habe noch nicht eine Sekunde bereut. Die Resonanz von anderen war ebenfalls zu 90% Anerkennung und Begeisterung. Mit den restlichen 10% purem Neid kann ich sehr gut leben. Für mich ist es wichtig, dass ich mich selbst dort einfach wohl fühle und das tue ich uneingeschränkt. Durch die Kombination völlig in der Natur sein zu können und dennoch direkt ein Zuhause zu haben, gibt es im Moment keinen Ort an dem ich besser Abschalten könnte. Zuhause läuft immer der Fernseher, ich bin ständig im Homeoffice, trotz schöner Terrasse mit perfekter Aussicht. In dem Tiny House würde ich aber gar keinen Fernseher haben wollen und ich würde auch nie freiwillig im Homeoffice arbeiten (auch wenn man denken könnte das würde vielleicht Sinn machen). Wenn die Sonne scheint habe ich quasi eine Terrasse mit direkt angegliederter Küche und Wohnzimmer, die durch die riesigen Türen fast auf der Terrasse verbunden zu sein scheinen. Nach dem Fliegen und morgens früh habe ich eine entspannende Dusche. Und auch wenn es regnet habe ich einen schönen Raum in dem ich die Zeit durchaus sehr angenehm verbringen kann. Seitdem mag ich abends gar nicht mehr nach Hause fahren, sondern übernachte lieber dort wenn ich die Wahl habe.


Wer auch Interesse an einem derartigen Tiny House hat und nicht weiß wie er zu einem derartigen Häuschen kommt, einfach bei mir melden, wir finden eine Lösung: joel001@aol.com Stichwort "Tiny House"
































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