Wer weiß schon immer genau wann es sich mit einem Segelflugzeug zu starten lohnt? Die einfachste Methode ist natürlich andere Segelflieger in der Luft zu fragen. Oder wir schauen ob sich schon Wolken bilden. Oder wir erkennen das an an Indikatoren wie: Mäusebussarde kreisen schon, Windräder fangen an sich zu bewegen, plötzliche Windänderungen am Boden, usw.
Aber was wenn niemand vor uns in der Luft ist? Und wenn keine Wolken zu sehen sind? Wie hoch ist das Kondensationsniveau, in welcher Höhe werden sich demnächst die Wolken bilden? Werden sich überhaupt welche bilden? Das heißt der Bereich in dem wir uns üblicherweise bewegen oder knapp darunter, den kennen wir nicht - die Basis. Wir möchten nicht "ins Blaue" starten. Und morgens von zuhause aus lässt sich die Situation noch schwerer beurteilen. Die Wetterberichte die uns hier helfen sollten liegen leider zu oft daneben. Und dann fährt man häufig zu spät los und startet zu spät oder auch mal zu früh...
Oder kennen wir die Basishöhe vielleicht doch?
Früher unterlag ich dem Irrglauben die Basis wäre direkt von der Temperatur abhängig. Im Winter Basis tief, im Sommer Basis hoch, eigentlich logisch. Na ja, nicht ganz... Nun, man kann sich Höhe der Basis herleiten oder man sie auf diversen Internetseiten direkt berechnen, z. B. hier: http://www.top-wetter.de/calculator.htm. Das Ergebnis seht ihr in dem Schaubild unten. Man sieht deutlich dass die Basis über Grund tatsächlich von der Luftfeuchte am Boden und nur wenig von der Temperatur abhängig ist. Je 10% Abnahme der Luftfeuchtigkeit steigt die Basis über Grund (AGL) um ca. Faktor 1,3 bis 1,4 an. Dieser Zusammenhang gilt bis zu Luftfeuchtigkeiten von ca. 70%.
Für uns heißt dieses verblüffend einfache Ergebnis eigentlich nur, dass wir die Höhe der Basis mit einem simplen Hygrometer abschätzen können!
Wer ein bisschen Theorie braucht um das noch grundlegender zu verstehen, der kann sich hier einlesen: http://www.wikiwand.com/fr/Niveau_de_condensation_par_convection
Dort sieht man auch, dass die wesentliche Voraussetzung für diese Berechnung eine Atmosphäre ohne Bodeninversion und ohne Sperrschichten ist, also eigentlich nur, dass die grundsätzlichen Voraussetzungen für Thermikbildung vorhanden sein müssen.
Das heißt für uns: Nie wieder starten und verblüfft feststellen, dass die Basis schon in 1200 m GND liegt und man schon seit einer halben Stunde hätte fliegen können - oder starten und feststellen dass die Basis doch erst in 600 m GND ist und man nicht vom Flugplatz wegkommt...
Die Werte, bei denen man welche Basis vorfindet kann man natürlich aus dem Schaubild ablesen oder direkt mit dem angegebenen Link berechnen, oder man hat für sich selbst Richtwerte abgespeichert, bei denen man ohne weiter darüber nachzudenken fliegt. Für mich liegt der optimale Bereich zum Segelfliegen in Mitteleuropa bei einer Luftfeuchtigkeit von 40 bis 60%. Das entspricht in etwa einer Basis von ca. 1000 bis 1900 m GND. Wem beim Start 850 m Basis reichen, der kann auch schon bei 65% Luftfeuchte losfliegen, ab 70% ist bei einer Basis ca. 700 m wohl die Grenze des Fliegbaren erreicht. In Mitteleuropa (nicht Zentralspanien oder Afrika) ist zudem unterhalb ca. 35% und damit einer Basis von ca. 2000 m GND je nach Temperatur immer die Gefahr einer Abtrocknung vorhanden. Und ohne Wolken fliegt es sich ja bekanntlich auch nicht so gut. Insgesamt doch ein ziemlich einfacher Zusammenhang, oder?
Super toll wäre es natürlich auch wenn wir die Basishöhe schon morgens beim Frühstück für die nächsten Stunden abschätzen könnten, oder? Wetterberichte sind ja ganz prima ;-) aber manchmal ist es auch gut selbst Bescheid zu wissen.
Da ist die folgenden Überlegungen ganz hilfreich: Die absolute Feuchtemenge in der Luft bleibt über den Tag meist ziemlich konstant. Aber - die Aufnahmekapazität der Luft für Feuchtigkeit steigt mit der Temperatur um ca. Faktor 1,8 bei 10 °C und um ca. Faktor 2,4 bei 15 °C an. Das heißt, dass die Luftfeuchtigkeit bei einem Temperaturanstieg von 1 °C schon um ca. 6% vom Ausgangswert abnimmt, bei Zunahme um 10 °C um Faktor 1,8 und bei Zunahme um 15 °C sogar sehr drastisch um Faktor 2,4 reduziert wird.
D. h. wenn ich beim Frühstück auf meiner (meist etwas wärmeren) Terrasse 15 °C und 70% ablese und ich weiß dass die Tageshöchsttemperatur laut Wetterbericht bei 25 °C also 10 °C höher liegen soll, dann kann ich abschätzen, dass die rel. Luftfeuchte bei Tageshöchsttemperatur um Faktor 1,8 auf ca. 39% absinkt. Die Basishöhe liegt dann nach Schaubild auf ca. 1750 m GND. Da meine Terrasse auf 300 m MSL liegt, ist die Basis also bei 1750 m + 300 m = 2050 m MSL. Das heißt gutes Flugwetter!
Morgens beim Frühstück 50% Luftfeuchtigkeit bei 15 °C und Tageshöchsttemperatur 25 °C heißt hingegen Gefahr von Abtrockung am Nachmittag: 28% Luftfeuchtigkeit bei Tageshöchsttemperatur entsprechen einer Basis von 2200 m GND, also 2500 m MSL. Das heißt besser nicht ins Flachland fliegen, sondern über der Schwäbischen Alb oder dem Schwarzwald bleiben, da dort bei der hohen Basis eher Wolken zu finden sind.
Wer's selbst anschauen und herleiten will: Siehe auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Luftfeuchtigkeit#/media/File:Luftfeuchte.pngh
Und übrigens: Wie ich festgestellt habe kennen "Alte Hasen" dieses Prinzip auch schon lange. Viele schauen sich einfach die Differenz zwischen Taupunkt und Lufttemperatur an und leiten sich daraus die Basishöhe her, was im Prinzip genau dasselbe ist. Die Näherungsformel ist:
Basishöhe GND [m] = 120 x Spread
Spread ist die Differenz zwischen Lufttemperatur und Taupunkt
(siehe Tempanalyse Rampe) Vorteil ist die einfache Formel und dass der Taupunkt sich über den Tag eigentlich nicht ändert. Warum? Weil er genau genommen die absolute Wassermenge in der Luft beschreibt und nicht die relative also temperaturunabhängig ist. Das heißt auch, dass der Messwert weniger von der "Gerätetemperatur", also den Messbedingungen abhängt.
Die höchste Basis über den Tag kann man damit natürlich auch ermitteln indem man in die Formel nicht den aktuellen Messwert der Lufttemperatur sondern die Tageshöchsttemperatur einsetzt. Natürlich muss der Taupunkt erst einmal bekannt sein. Auf den meisten einfachen Luftfeuchtemessgeräten ist er nicht ablesbar. Zum anderen beschreibt Reichmann eine Methode mit einem "Schleuderthermometer" und einer Tabelle, was im Prinzip einem abgewandelten Psychrometer (Feuchtemessgerät) entspricht. Wie ich feststellen konnte ist diese Methode aufgrund der Ablesegenauigkeit aber vergleichsweise ungenau. Alle drei Methoden, Luftfeuchte, Taupunktsdifferenz und Schleuderthermometer laufen aber auf dasselbe Prinzip hinaus, die Werte werden nur anders dargestellt, bzw. anders ermittelt. Und da wären wir auch schon bei einem anderen Thema:
Wie bei allen scheinbar einfachen Sachen gibt es einen Haken - Das scheinbar trivialste Thema verursacht uns die größten Probleme: Die Luftfeuchtemessung ...
Unfassbarerweise sind erschwingliche, handelsübliche Geräte so ungenau, dass die meisten nicht einmal annähernd brauchbar sind. Z. B. habe ich heute eine handelsübliche Wetterstation eines namhaften Herstellers, das Nachfolgeprodukt desselben und den dazugehörigen Außensensor nebeneinander im Wohnzimmer aufgestellt. Ich lese jetzt, ja gerade in diesem Moment, folgende Feuchtewerte ab: 43%, 52% und 59% Luftfeuchtigkeit. Verblüffend aber wahr... Eine Vorhersage der Basishöhe im Wohnzimmer macht natürlich wenig Sinn, aber theoretisch würden in unserem Fall bei 21°C die folgenden Basishöhen vorhergesagt werden: 1553 m, 1217 m, 990 m AGL. Das Urteil ist klar: Völlig unbrauchbare Vorhersagen. Die Geräte stehen dort schon den ganzen Tag bei konstanter Temperatur, gelüftet wurde das letzte Mal vor ca. 5 Stunden, damit gibt es keinerlei Grund warum die Geräte derartig unterschiedliche Werte anzeigen sollten. Aber leider sind wohl so ziemlich alle handelsüblichen Wetterstationen ähnlich ungenau wie ich mir von Experten sagen lassen musste...
Was kann man da tun? Kalibrieren geht bei diesen Geräten nicht. Richtig genaue Geräte, z. B. Psychrometer o. ä. sind sehr teuer und aufwändig.
Damit steht mein Entschluss fest. Das Thema muss ich noch einmal etwas genauer unter die Lupe nehmen und werde das Ergebnis wohl in einem späteren Blog zusammenfassen...
Nachtrag 19.02.2018: Hier der inzwischen fertiggestellte Blog zur Luftfeuchtemessung
Nachtrag 12./19.08.2018:
Hier noch eine Ergänzung nach einer Flugsaison: Auf meiner Spanien-/Frankreichreise im Frühjahr habe ich begonnen meinen Luftfeuchtemesser (natürlich den kalibrierten Testo 608-H1) nachts auf die Fensterbank zu stellen, eine Fensterbank auf die morgens keine Sonnen schien. Morgens sah ich dann direkt den Luftfeuchtemesswert. Über 70% Feuchte dachte ich nicht einmal daran zum Flugplatz zu fahren, bei 50-60% war klar, das wird gut, am besten sofort zum Flugplatz und losfliegen, unter 40% hieß: Nicht so gut, wird wahrscheinlich blau, es sei denn es sind höhere Berge in der Nähe über denen es dann evtl. geht. Und egal wie die Theorie bzgl. Inversion und anderer Störfaktoren sein mag: Es hat immer funktioniert - und zwar praktisch, nicht nur theoretisch.
Zuhause habe ich den Luftfeuchte-/Taupunktmesser jetzt auch immer auf der Fensterbank stehen. Manchmal schaue ich mir die relative Luftfeuchtigkeit, manchmal den Taupunkt an. Was nun einfacher ist kann ich gar nicht sagen.
Und obwohl der Flugplatz 75 km weit entfernt ist, 300 m höher liegt, ich drei Stunden bis zum Start brauche und bei hochsommerlichen Wetterlagen ein atypischer Temp oder eine sich veränderende Luftmasse hin und wieder mal etwas durcheinander bringt, weiß ich doch frühmorgens beim Hochziehen des Rollladens in 5 Sekunden ziemlich zuverlässig was für eine Basishöhe mich über den Tag erwartet. Die Übung macht's.