Ich finde es etwas befremdlich, dass im Moment eine so heftige Diskussion über das Thema Thermik und Luftfeuchtigkeit entbrannt ist. Diese Diskussion will uns Glauben machen, dass es für uns Segelflieger (nicht Meterologen) viele Tatsachen gibt die entweder nicht bekannt oder überarbeitungsbedürftig sind. Ich finde die Diskussion völlig überflüssig, weil alle für den Segelflieger wichtigen Tatsachen doch schon lange bekannt und für jeden nachvollziehbar sind...
Das denke ich ist auch der Kern des Problems. Die Artikel die im Moment überall erscheinen sind alle etwas sehr "wissenschaftlich" und für einen Segelflieger wie mich kaum hilfreich. Mich interessiert es nur wenig warum etwas so ist wie es ist, wenn es keine praktische Bedeutung hat (nein, das ist keine Schwäche sondern eine Stärke). Hirnforscher fanden auch heraus, dass sich Experten nicht durch die Menge an Wissen auszeichnet sondern durch eine nützlichere Strukturierung ihres Wissens (es wurden Schachspieler untersucht). D. h. das für mich wichtige Wissen versuche ich jetzt mal mit meinen einfachen Worten möglichst kurz und strukturiert zusammenzufassen (mal schauen ob ich das schaffe):
Fakten sind:
Jedes Mal wenn ich mit meinem schlecht belüfteten Mosquito hoch in ein Aufwindfeld einflog beschlug meine Cockpithaube. Einige Sekunden später piepste das Vario, ich drehte ein und - da war die Thermik. Die Schlußfolgerung ist doch so klar wie simpel, oder? In einem oberen Bereich eines Thermikfeldes steht Feuchtigkeit in Verbindung mit Thermik.
Zudem weiß jeder von uns, dass es bei trockener Wetterlage sinnvoll ist an der Donau entlang zu fliegen, da dort noch die letzten Wolken stehen. Natürlich weil die Feuchtigkeit dort höher ist und das Kondensationsniveau damit unterhalb einer möglichen Absinkinversion liegt. Also so trivial, dass ich es kaum schreiben mag: Feuchtigkeit als Thermikindikator bei trockenem Wetter. Es kann schon sein, dass darum herum mehr und auch bessere Thermik sein könnte oder auch schlechtere, wer weiß - aber das ist doch ziemlich unrelevant, da Thermik ohne Wolken eben schwerer zu finden ist, oder?
Derselbe Effekt entsteht auch über Wäldern am Nachmittag. Wenn die Luft am Boden schon so heiß ist, dass das Kondensationsniveau beginnt über die Inversion zu steigen, es also blau wird stehen die meisten Wolken am Nachmittag über Wäldern. Diese sind feuchter, haben zudem luftige Kronen die sich leicht erwärmen und sind meist dunkler als die Umgebung, nehmen also mehr Sonne auf. Eigentlich optimal. Zudem sind Waldkanten noch optimale Ablösekanten, (bzw. in meiner Vorstellung eigentlich "Belüftungsöffnungen" die Ablösungen möglich machen).
Aber auch klar ist, dass über einer Wiese über der gerade ein Gewitter durchgezogen ist kaum Thermik zu finden sein wird. Natürlich ist es schwerer nasse Erde so schnell zu erwärmen als eine trockene Oberfläche. Und dass das verdunstende Wasser die Luft darüber durch die geringere Luftdichte in demselben Maß leichter macht, wie es durch die Verdunstungskälte die Oberfläche und die Luft darüber kälter und damit schwerer macht ist auch klar. Schon die Herrscher in der Alhambra in Granada wussten, dass je höher die Lufttemperatur, desto höher ist die abkühlende Wirkung ihrer Springbrunnen. Bei 30 °C sind das schon mehrere Grad. Nicht gerade thermikfördernd... Erspart euch und mir den ermüdenden Beweis durch Nachrechnung. Wer will hier eine Psychrometertabelle, eine wie ich finde gute Basis für eine Nachrechnung.
Auf der anderen Seite ist die Idee, dass es nach einem großflächigen Regen am Vortag durch die Feuchtigkeit kein Thermik gäbe oder die erst so spät beginnen sollte nicht ganz richtig. Meiner bescheidenen Erfahrung nach ist trotz der geringen Aufheizung des feuchten Bodens die Thermik nach Regen am Vortag nur wenig verzögert, aber die Basis ist signifikant niedriger und steigt auch nicht so schnell an. Warum? - den Einfluss der Luftfeuchtigkeit auf die Basis habe ich in einem anderen Blog schon mal beschrieben Link zum Blog.
Das heißt:
-> Feuchtigkeit grundsätzlich kann Thermik sowohl fördern als auch verhindern.
-> Die Luftfeuchtigkeit selbst bestimmt die Höhe der Basis und in Verbindung mit der Inversion die Wolkenbildung, siehe Link zum Blog.
-> Die Aufwindstärke wird durch die Differenz der Luftdichte bestimmt, die immer eine Kombination aus Temperatur-/Luftfeuchte ist. Ob die Luft nun leichter ist weil sie viel Feuchtigkeit beinhaltet oder weil sie wärmer ist, ist doch völlig egal, beides ist relevant.
Und warum sollen uns die neuen Thermikmodelle da nun weiterhelfen? Mir haben die Erklärungen der einschlägigen Segelflugzeitschriften praktisch jedenfalls gar nicht weitergeholfen. Ich denke ich komme auch so klar.
Aber vor einigen Jahren hatte ich noch eine nette Idee dazu:
Es gibt ein älteres Schweizer Patent auf einen Thermikindikator am Flugzeug: Ein Temperatursensor an jeder Flächenspitze und an Nase und Heck des Flugzeugs. Die Differenztemperatur zeigt die Richtung an in die man kreisen soll.
Ich denke die Flugzeugspitze und das Heck kann man sich sparen, da fliegt man ohnehin durch. Dafür sollte aber an den Tragflächenspitzen die tatsächliche Luftdichte gemessen werden um das Thermikpotenzial zu ermitteln.
Deshalb habe ich in Matlab ein Luftdichtekennfeld aus Temperatur und Luftfeuchte erzeugt, einen kombinierten Luftfeuchte-Temperaturfühler gekauft, diesen mit einem einfachen Bussystem in einen Mikroprozessor eingespeist und damit die Luftdichtedifferenz an den Flächenspitzen berechnet. Unter Berücksichtigung eines Standard Thermikmodells (umgekehrter Kegel) und der Polare meines Mosquitos konnte ich damit die optimale Schräglage für eine Standard Kreisfluggeschwindigkeit errechnen und anhand einer einfachen 7-Segmentanzeige eine Art Flightdirector programmieren. Dieser zieht von der optimalen Schräglage die durch einen Gierratensensor abgeschätze tatsächliche Schräglage ab. Damit gibt er vor, ob sich noch mehr Schräglage lohnt um mehr in die Thermik einzufliegen oder ob ein Aufrichten oder im Endeffekt gar ein Richtungswechsel sinnvoll sind: Er zeigt also links/rechts/stark links/sehr stark links usw. Im Extremfall, wenn es sich wirklich lohnt einzukreisen ergibt sich dabei nicht nur eine Wegveränderung sondern eben auch ein Kreisflug. Kosten für das System: Ca. 100 Euro.
Da ich dafür aber 2 Leitungen am Klappenspalt verlegen musste, was mir nicht ganz geheuer war, kam das Gerät nie über das "Kellerstadium" hinaus. Wer will kann die Teile von mir haben und das Projekt weiter betreiben ;-)
Interessanterweise zeigt sich als Nebeneffekt bei der Betrachtung des Matlab-Luftdichtekennfeldes auch, dass die Luftfeuchtigkeit (und damit auch die Feuchtigkeit an sich) bei höheren Temperaturen eine größere Rolle und bei niedrigeren Temperaturen eine kleinere Rolle spielt: Je höher die Temperatur, desto höher die Wasseraufnahmekapazität der Luft, desto größer die Luftdichtedifferenz und desto größer auch der Einfluss der Luftfeuchtigkeit auf die Steigwerte.
Diesen Effekt muss ich in der Praxis weiter beobachten...